Marianne Renz-Knappe aus dem Gesamtvorstand des CVJM-Westbund interviewt per Skype zwei neue Gesamtvorstandsmitglieder, René Schöler und Silas Krause, über ihre Motivation und ihre Wünsche an die Mitarbeit.

Marianne: René, was hat für dich den Ausschlag gegeben, für den Gesamtvorstand (GV) zu kandidieren?

 

René: Nach der Weltratstagung in Thailand hatte ich auf Dele- giertenversammlungen den Eindruck, dass da viel passiert,

man dort mitentscheiden kann und ich eine Meinung und kreative Ideen habe, die ich gerne einbringen will. Als ich auf eine Mitarbeit im GV angesprochen wurde, war ich sehr offen dafür, aber es war nicht meine eigene Initiative.

 

Marianne: Silas, liegt René da richtig? Kann man im GV vieles voranbringen?

 

Silas: Mitdiskutieren kann man auf jeden Fall. Bis eine Entschei-dung getroffen wird, dauert es teilweise länger, als man sich das erst vorstellt, auch weil das Gremium recht groß ist. Richtig gut ist, dass es eine Offenheit gibt. René sollte seine unter-nehmerischen Argumente mit einbringen, denn es fehlt uns ein bisschen, den CVJM als Marke zu verstehen und zu lernen wie man so eine Marke vermittelt.

 

Marianne: René, du bist beruflich mit Führungskräften unterwegs. Was können wir im GV von Führungskräften aus anderen Berei-chen lernen?

 

René: Meiner Erfahrung nach ist es superwichtig, in einem Ent-scheidungsgremium den kreativen Träumer und genauso den realistischen Zweifler zu haben. Die brauchen wiederum je-manden, der nicht unbedingt schlichten, aber „übersetzen“ kann. Dazwischen gibt es empathische Menschen, die die Ideen anderer mit einbringen und die Strukturierten, die es schaffen, Dinge auf den Punkt zu bringen. Man braucht sie alle!

 

Marianne: Silas, du bist Sonderpädagoge. Ergeben sich für dich in der Schule Denkanstöße für die Arbeit im CVJM oder ist es eher umgekehrt?

 

Silas: Im CVJM ist die Frage, was du können musst, nicht so wichtig wie die Frage, welche Gaben und welche Interessen jemand mitbringt. Ich habe mich für die Sonderpädagogik ent-schieden, weil ich genau das dort stärker einbringen kann, was ich in der CVJM-Arbeit immer schon gemacht habe, nämlich zu fragen: Was interessiert euch, wofür könnt ihr euch begeistern? Das Schulsystem beginnt erst langsam, zu lernen, die Indivi-dualität von Kindern und Jugendlichen wertzuschätzen.

 

Marianne: Auf der Delegiertenversammlung (DV) habt ihr eine individuelle Sitzordnung gefunden und eure Tische vor der Bühne zusammengeschoben, so dass viele junge Delegierte

dort zusammensitzen konnten. So etwas hatte es dort noch nie gegeben. „Das war uns wichtig, weil …“ Könnt ihr diesen Satz fortsetzen?

Silas, Marianne und René im Skype-Gespräch
Silas, Marianne und René im Skype-Gespräch

 

 

Silas: Das war wichtig, weil so ein Austausch zwischen den jungen Leuten aus verschiedenen Vereinen überhaupt möglich werden konnte, weil dieses „Fraktionssitzen“ in den Kreis-verbänden, das sich etabliert hatte, mal aufgelöst wurde. Es gibt nichts Schlimmeres, als ohne neue Kontakte aus der DV heraus- zugehen und es ging darum, gerade wo jetzt junge Leute kandi-diert haben, die schon einmal kennenzulernen.

 

René: Man sieht daran auch, dass wir uns im CVJM zuhause fühlen und uns das einfach trauen dürfen. Zuhause sagst du auch: Ich mache das jetzt einfach mal. – Und das ist dann okay.

 

Marianne: Das Thema „Young Leaders“ hat im gesamten CVJM eine hohe Priorität. Von Älteren hört man jetzt Bedenken, das könne bedeuten, dass die Älteren nicht mehr gebraucht würden. Könnt ihr diese Sorge nachempfinden?

 

René: Ich finde es unheimlich wichtig, dass das Wissen und die Erfahrung, die schon im CVJM vorhanden ist, weiter genutzt werden. Ich glaube, dass „Young Leaders“ nur in der Kombi- nation mit den Älteren funktionieren kann. Natürlich müssen Neue dazukommen, aber wenn der Erfahrungsschatz fehlt, gibt es Chaos. Manches „Neue“, das man ausprobieren möchte, wurde vielleicht schon längst ausprobiert und hat nicht funkti-oniert. Das darf man dann auch einfach mal so hinnehmen.

 

Silas: Im CVJM gibt es eine gesunde Abhängigkeit im Geben und Nehmen. Ich kann verstehen, dass eine Verwirrung entsteht, weil man „Young Leaders“ so stark – fast wie eine Marke innerhalb des CVJM – etabliert. Aber es ist eine Daueraufgabe, die ein 

Verein durchgängig zu erledigen hat, sonst wird man irgendwann als Jugendverband unglaubwürdig.

 

Marianne: Ein „Runder Tisch Afrika“, von dem der Gesamt-verband berichtet, formuliert als Ziel „Putting young people at the driver’s seat“. Gelingt das dem Westbund überhaupt, junge Menschen auf den Fahrersitz zu setzen oder dazu einzuladen?

 

Silas: Erst einmal ist es gut, die Einstiegsvoraus-setzungen z. B. für die Mitarbeit in einem Gremium der Lebenssituation der jungen Menschen anzu-passen. Deshalb haben René und ich uns für eine kürzere Amtszeit im GV ausgesprochen. Grund- sätzlich ist der Gesamtvorstand offen; da kann man immer Fragen stellen und hat den „Fahrlehrer“ an der Seite, der Korrektur anbietet und auch mal die Not-bremse ziehen kann.

 

Marianne: Ist es denn eher der Fahrlehrer oder das begleitete Fahren?

 

Silas: Ich persönlich kann es genießen, Freiheit zu haben. Deshalb wäre es für mich das begleitete Fahren, aber das ist vielleicht etwas vom Typ abhängig.

 

René: Das Bild gefällt mir! Fahrschule ist eine Zeit zumAusprobieren. Beim begleiteten Fahren, wenn ich schon die Verantwortung habe, gibt es mir Sicherheit, dass ich nicht allein bin, sondern weiß: wir machen das zusammen. Ich würde sagen: Ja, macht den Fahrersitz frei, aber geht nicht weg!

 

Marianne: Fast obligatorisch: CVJM und Corona – welche Gedanken löst das in euch aus?

 

René: Grundsätzlich bilden die Begegnungen im CVJM einen schönen Gegenpol zu digitalen Ange- boten. Jetzt müssen wir digitale Möglichkeiten nutzen und ich merke: Wir kommunizieren viel mehr miteinander als vorher; gerade mit Leuten, die weit weg sind. Sonst hatte ich gerne mal etwas Ruhe, jetzt freue ich mich über die Kontakte. Dabei sparen wir Kosten und CO2, weil wir nicht mehr überall hinfliegen und -fahren.

 

Silas: Auf der BMT gab es schon eine größere Bereit- schaft sich zu vernetzen. Wir kommunizieren digital beinahe offener als vorher im persönlichen Kontakt, wir laden ein, auch unter dem Label CVJM. Wir lernen, Werbung für uns zu machen. Das sollten wir beibehalten.

 

Marianne: Silas und René, wir haben uns auch zum ersten Mal online getroffen. Ich danke euch sehr, dass ihr euch für das Gespräch Zeit genommen habt.